38 Im Dialog mit unseren Stakeholdern
Herr Berg, durch Ihre Tätigkeit bei der Stiftung kennen Sie
die Gegebenheiten sowohl in Deutschland als auch in
Schweden sehr gut. Warum gibt es in deutschen Unterneh-
men weniger Frauen als in schwedischen?
Christian Berg: Die Gleichstellung hat in Schweden schon seit
den 70er Jahren einen höheren Stellenwert als in Deutschland.
Das hat viel mit dem engeren Arbeitsmarkt, aber auch mit gesetz-
lichen Gleichstellungsmaßnahmen zu tun. Die Folge? Die Ge-
schlechterrollen, die wir hier in Deutschland kennen, sind in Schwe-
den sehr schwach ausgeprägt. Außerdem gibt es in Schweden
einen ökonomischen Veränderungsfaktor. Dort ist das Thema
Diversität nicht auf die Frage Mann oder Frau verknappt, son-
dern auch eine Frage der Wettbewerbsfähigkeit. Man möchte die
besten Leute haben, und das heißt sowohl die besten Frauen
als auch die besten Männer.
Frau Dr. Brüne, Sie sind eine der Frauen im Führungsteam
von ALTANA. Wo muss noch nachgelegt werden?
Dr. Anette Brüne: Weltweit haben wir den Anteil von Frauen in
Führungspositionen auf gut 21 Prozent erhöht. Vor allem auf der
Top-Ebene müssen wir unsere Anstrengungen noch intensivieren.
Woran liegt das?
Dr. Anette Brüne: Als Chemieunternehmen sind wir eher männ-
lich dominiert. Darüber hinaus liegt der Frauenanteil in der
ALTANA Gruppe insgesamt auch nur bei 30 Prozent. Wir müssen
mehr Frauen einstellen, entwickeln und fördern, damit sie
Führungspositionen übernehmen können. Außerdem reichen
die vorhandenen Rollenvorbilder im Top-Management noch
nicht aus. Das war und ist eine sehr homogene Gruppe, noch im-
mer männlich dominiert, mit einem sehr ähnlichen Manager-
Typus. Aber der Prozess des Kulturwandels ist angestoßen. Die
Männer öffnen zunehmend ihre Kreise. Sie erkennen, dass es
ein Gewinn ist, mit Frauen in gemischten Teams zu arbeiten. Viele
von ihnen bringen sich auch als Mentoren aktiv in unser Men-
toring-Programm für Frauen ein.
Liegt es wirklich nur an den Männern?
Dr. Anette Brüne: Keineswegs. Die Frauen müssen auch Ver-
antwortung übernehmen wollen und sich etwas zutrauen. Dazu
muss man sie auch ermuntern – push und pull ist optimal.
Was ist dabei vielversprechender? Top-Down oder
Bottom-Up?
Dr. Anette Brüne: In vielen Unternehmen, auch in unserem,
kann diese Veränderung nur Top-Down angestoßen werden. Das
Top-Management muss eine Veränderung wollen.
ALTANA will bis 2025 den Frauenanteil in Führungs-
positionen auf 30 Prozent erhöhen. Braucht es die Quote?
Dr. Anette Brüne: Ich persönlich war zunächst skeptisch. Ich
dachte, dass es genügend gut ausgebildete Frauen gibt, die ihren
Weg machen, wenn sie nur wollen. Aber dann sah ich, dass es
kaum Fortschritte gab. Insofern glaube ich, dass die Quote zum
Start dieser Veränderung und für diese Diskussion sehr hilfreich ist.
Christian Berg: Das ist auch unsere Erfahrung. Es braucht einen
gewissen Druck. Homogene Gruppen ändern sich nicht unbedingt
freiwillig – selbst wenn es auch gute Denkweisen und auch
männliche Personen gibt, die Vorreiter sind. Die Geschäftsfüh-
rung muss involviert und engagiert sein. Frauen in Führungspositionen
zu bringen muss Chefsache sein! Es braucht klar defi-
nierte Ziele, deren Erreichen auch kontrolliert werden muss.
Welche Vorteile haben Unternehmen, die ihre Strukturen
ändern?
Christian Berg: Unternehmen mit einer größeren Diversität in
Führungspositionen, also mit mehr Frauen, verschiedenen Nationalitäten
etc., sind laut Studien oft deutlich innovativer und
profitabler. Wissen Sie, das typische Denken in homogenen Gruppen
ist ein großer Nachteil. Denn wenn alle ähnlich denken,
dann hinterfragt keiner etwas. Gerade aber das Infragestellen
Christian Berg ist Geschäftsführer der schwedischen AllBright-Stiftung
in Deutschland, die sich für mehr Frauen und Diversität in den Füh-
rungspositionen der Wirtschaft einsetzt. Zuvor war er etwa 20 Jahre Diplo-
mat, davon fast zehn Jahre in der schwedischen Botschaft in Berlin.
Dr. Anette Brüne ist Leiterin Strategische Geschäftsentwicklung bei
BYK und Mitglied des Aufsichtsrats der Konzernmutter ALTANA AG. Die
promovierte Chemikerin ist seit 2003 bei ALTANA tätig.