Als Projektkoordinatorin hält Anja Müller die Fäden für das
Sprachprogramm der Malteser Werke zusammen und
stimmt die Arbeit der Sprachlehrer und ehrenamtlichen
Helfer ab. Die studierte Kulturanthropologin sieht den
Erfolg ihres Tuns jeden Tag: Der Deutschunterricht stärke
das Selbstbewusstsein der Flüchtlinge und ermutige sie,
Kontakt mit ihrer neuen Heimat aufzunehmen. Die Lernfreude
und die Dankbarkeit der Flüchtlinge berühren sie
immer wieder. Einen großen Wunsch hat sie jedoch noch:
„Wir bräuchten mehr solch großzügiger Spender wie
ALTANA. Dann könnten wir noch viel mehr tun.“
Verlorene Zeit also für die Menschen, die
häufig vor allem aus Warten besteht.
„Kern unseres Konzepts ist es, den
Deutschunterricht ab dem ersten Tag in
Deutschland anzubieten“, erklärt Anja
Müller, die Leiterin des Projekts bei den
Malteser Werken. „Für viele Menschen
ist es die erste Frage, die sie bei ihrer Ankunft
stellen: ‚Können wir hier Deutsch
lernen?‘“
Die Spende von ALTANA kam also ge-
nau zum richtigen Zeitpunkt. Das Unternehmen
finanziert zunächst ein Jahr
lang qualifizierte Deutschlehrer in sechs
Malteser-Einrichtungen in Nordrhein-
Westfalen sowie in der Stadt Voerde, in
der Nachbarschaft zum Firmensitz in
Wesel. Das Geld wird zudem für die Ausstattung
der Unterrichtsräume, die Er-
stellung des Unterrichtsmaterials und die
wissenschaftliche Evaluation des Pilot-
projekts verwendet.
Innovatives Konzept
Anja Müller und ihr Team mussten mit
vielen Variablen planen: Ihre Schülerschaft
stammt nicht nur aus unterschiedlichen
Ländern und verfügt über unterschiedliche
Vorbildung. Auch bleibt offen, wie lange
sie in der Einrichtung und damit im Unter-
richt sein können. Vor diesem Hintergrund
entwickelten die Malteser etwas
völlig Neues: Der Unterricht wird in Modulen
mit steigendem Schwierigkeitsgrad
angeboten. An fünf Tagen in der Woche
finden vier Unterrichtseinheiten à 90 Minuten
statt. Die Inhalte orientieren sich
an der Lebenswelt der Teilnehmer. „Wir
haben bei den Einrichtungen nachgefragt,
was im täglichen Miteinander wichtig
ist“, erklärt Anja Müller. So fanden
auch beiläufige, aber wichtige Inhalte wie
die Besonderheit des deutschen Dosenpfands
Eingang in die Unterrichtsmate-
rialien.
Obwohl die Teilnahme am Unterricht frei-
willig ist, platzen die Klassenräume bei-
nahe aus den Nähten: Rund 600 Schüler
kommen jeden Tag zum Unterricht.
Am Ende des ersten Jahres werden rund
100.000 Menschen die sprachlichen
Grundlagen für ein selbstbestimmtes Leben
in Deutschland gelegt haben. In
den Einrichtungen löst das Deutsche Englisch
als Umgangssprache zunehmend
ab. Die Bewohner gewinnen an Sicherheit
und nehmen etwa beim Einkaufen ers-
ten Kontakt mit Deutschen außerhalb ihrer
Unterkunft auf. Anja Müller freut sich
über diesen Erfolg: „In manchen Gemeinden
gab es zunächst nachvollziehbare
Ängste in der Bevölkerung, wer da wohl
kommen würde. Mittlerweile gehören
unsere Schützlinge zum normalen Straßen-
bild.“
42 Gelebte Nachhaltigkeit